Kreisfeuerwehrverband
Frankfurt am Main 1869 e.V.

„Unser Ziel heißt Innovation!“

Feuerwehr verliert Motivation und Führung

SINDLINGEN Sven Sommerschuh gibt Wehrführerposten ab - und klagt über Bürokratismus  

Sven Sommerschuh hängt die Jacke des Sindlinger Wehrführers an den Nagel. Er scheidet zum Monatsende aus dem Amt.Foto: Michael SittigVon 2007 bis 2013 war Sven Sommerschuh, heute 44, Stellvertreter von Wehrführer Sascha Fölsing. Als der aufhörte, "habe ich lange überlegt, ob ich das machen will, weil es so viel Arbeit ist", sagt Sommerschuh, der Familienvater und Schichtleiter im Schichtdienst ist. Jetzt habe er wieder lange überlegt, ob er vorzeitig aufhört - gewählt ist er bis 2023. Doch es ist ein Abschied mit Ansage. "Im Januar habe ich den Dienstplan fertig gemacht, auf Neuerungen hingewiesen und betont, dass sich etwas ändern muss. Die Ausbildung, die Einsätze, die Veranstaltungen sollen Freude machen und gerne besucht werden. Sollte das nicht gelingen, würde ich das Amt zur Verfügung stellen und Platz machen für einen anderen", kündigte er damals an.

Die Freiwillige Feuerwehr Sindlingen kämpft an mehreren Fronten. Ihr fehlt es an Personal, dem Personal an Motivation, und die übergeordneten Behörden sind auch keine Hilfe. "Ziel war immer, unsere Feuerwehr wieder zu einer personell starken Truppe aufzubauen. Das ist nicht gelungen", resümiert Sven Sommerschuh. Von 27 Mitgliedern der Einsatzabteilung sind nur 14 aktiv. Sie werden nicht oft gefordert; im vergangenen Jahr gab es nur zehn Einsätze insgesamt. Das demotiviere, sagt Sommerschuh.

Gegensteuern blieb erfolglos

Die Folge: Die wöchentlichen Ausbildungsabende verlieren ihren Reiz. Wenn aber im Feuerwehrhaus an der Hoechster Farbenstraße nur drei, vier Kameraden zusammenkommen, lohnt sich der Aufwand dafür nicht. Viel haben Sven Sommerschuh, sein Vertreter Jens Sommer und weitere Mitglieder in den vergangenen Jahren versucht, um gegenzusteuern - intern und extern. Sie warben zum Beispiel mit Flugblättern und bei Stadtteilfesten für die Feuerwehr, doch weitgehend vergeblich. "Am Tag der offenen Tür ist das Haus voll, aber es kommt nix rüber", bedauert der scheidende Wehrführer. Gründe seien vor allem die flexiblen Arbeitszeiten der Menschen und die demografische Entwicklung. So wird es immer schwieriger, im Alarmfall die nötige Mindest-Einsatztruppe von sechs Wehrleuten zusammenzubekommen. 

2019 hat Sommerschuh deshalb die Stadtbrandinspektion gebeten, die Sindlinger aus dem Einsatzdienst zu nehmen. Vorab sollte damals noch über eine Kooperation mit einer Nachbar-Wehr gesprochen werden. Doch das habe sich zerschlagen, weil die übergeordnete Behörde die Einsatzfähigkeit der Sindlinger als gegeben ansieht.

Die Wehrführung verlegte die Anfangszeit der Übungsabende, um Berufstätigen entgegenzukommen. Sie gestaltete die Ausbildungsabende flexibler; in geraden Monaten fallen sie auf den Donnerstag, in ungeraden auf den Dienstag. Noch weitere Neuerungen sind in Vorbereitung, aber die Resonanz empfindet Sven Sommerschuh als enttäuschend, Es gibt keine Rückmeldungen, keinen frischen Wind.

Widerstände beim Feuerwehrverband

Regelrecht frustrierend sind für ihn die vielen Widerstände, gegen die er beim Feuerwehrverband der Stadt kämpft. Bei geringer Personalstärke und Motivation sei es doppelt schwierig, unbeliebte Dienste wie das Reinigen der Toiletten zu besetzen, nennt er ein Beispiel. Das wird mittlerweile von Putzkräften getan, die der Förderverein bezahlt. Die Pflege der Außenanlagen sei ebenfalls problematisch: Wer zur Feuerwehr geht, will nicht unbedingt Unkraut rupfen. Werkzeuge wie Freischneider, Laubbläser oder Rasenmäher gibt es nicht für jede der 27 Stadtteilwehren, sondern nur vereinzelt. Wenn ein Sindlinger Feuerwehrmann zwei Stunden Zeit in die Pflege des städtischen Geländes investieren will, muss er erst herumtelefonieren, um das Werkzeug zu besorgen. Um die Geräteräume auszusaugen, gibt es zwei Möglichkeiten, nennt Sven Sommerschuh ein Beispiel für zermürbende Vorgänge: Entweder kauft der Förderverein aus eigenen Mitteln einen Sauger, oder der Wehrführer schreibt eine Bedarfsmeldung. Die wird dann abschlägig beschieden. Bei Bedarf sollen sich die Sindlinger einen Sauger auf der zuständigen Betreuungswache ausleihen. Begründung: "Wenn wir ihn Euch geben, wollen es auch alle anderen." 

Sven Sommerschuh zog nun die Konsequenz. "Ich habe keine Kraft und keine Lust mehr, das Amt bis zum Ende der Amtszeit 2023 zu Ende zu führen", erklärt er. Schriftlich informierte er die Kameraden und die Stadtbrandinspektion, dass er zum 30. Juni 2020 aufhört. "Das fällt mir nicht leicht", sagt er. Wie sein Vater ist er mit Leib und Seele Feuerwehrmann. Das bleibt er auch, als einfaches Mitglied der Einsatzabteilung. Bis Dezember leitet Stellvertreter Jens Sommer die Wehr kommissarisch. Doch auch er habe schon angekündigt, danach nicht mehr zur Verfügung zu stehen, sagt Sven Sommerschuh. Und dann?Heide Noll